ES-SIRNAU: Mesnerin Dagmar Neubauer hat den beliebten Treff initiiert – Afrikanische Gottesdienste in der St. Michaelskapelle


Von Elisabeth Schaal
Quelle: Artikel vom 30.09.2014 © Eßlinger Zeitung


Ohne engagierte Christinnen und Christen, die eigenverantwortlich Aufgaben übernehmen, wäre es wie in unzähligen anderen Gemeinden mit dem kirchlichen Leben auch in Sirnau nicht weit her. Regelmäßige sonntägliche Gottesdienste gibt es in der kleinen evangelischen Kirche nicht mehr. Bis vor zwei Jahren fanden sie noch 14-tägig statt. Reinhard Walzer ist vor gut einem halben Jahr zum neuen Pfarrer der Kirchengemeinde Oberesslingen gewählt worden und auch zuständig für die Gartenstadt und Sirnau. Er spricht von sechs Gottesdiensten, die der Dienstplan für Sirnau jährlich noch vorsehe, etwa an Heiligabend oder an Erntedank am kommenden Sonntag (10 Uhr). Am Karfreitag habe er einen „wunderschönen Gottesdienst“ in Sirnau gefeiert. Er gibt aber auch offen zu: „Die Kirche ist nicht mehr so sichtbar.“'
Geschuldet ist seine nicht gerade üppige Präsenz dem halben Dienstauftrag. Walzers Vorgängerin Margret Remppis hatte noch eine volle Stelle. Allerdings wolle er zumindest versuchen, bei Veranstaltungen dabeizusein, und sich zeigen. Im Kindergarten, der in seine Zuständigkeit fällt, war er beeindruckt von der dort geleisteten Arbeit. Gefreut habe er sich, als er erfahren habe, „dass sich mindestens ein Dutzend Leute über meinen Besuch freuen würden. Das macht Mut“, sagt Walzer, der einen Seelsorgebezirk mit insgesamt 800 Gemeindegliedern verantwortet.

Katholikin in evangelischen Diensten

Was er an Mesnerin Dagmar Neubauer hat, weiß Walzer nur zu gut: „Ohne sie würde das kirchliche Leben ziemlich anders aussehen. Sie ist unglaublich gut vernetzt und kennt Hinz und Kunz“, sagt der Pfarrer schmunzelnd. Und mag gar nicht laut sagen, dass die Mitarbeiterin nicht der eigenen Konfession angehört, sondern katholisch ist. Das, sagt Neubauer, sei noch nie ein Problem gewesen, vermutet aber, „dass es umgekehrt wohl nicht gegangen wäre“. Kirchengemeinderatsmitglied Elisabeth Bräuninger habe sie damals sehr unterstützt und eingearbeitet. Seit 13 Jahren nimmt Neubauer die Aufgabe wahr, in die sie „reingerutscht“ sei. Zunächst war sie lediglich als Urlaubsvertretung für die Reinigungskraft des evangelischen Kindergartens eingesprungen. Nach deren Ausscheiden hatte sie diese Arbeit auch für die kleine benachbarte Kirche im Finkenweg übernommen. Als sich für die vakante Mesnerstelle niemand finden ließ, „habe ich mich nach einigem Zögern entschlossen, diese Aufgabe zu übernehmen“.

Großer Zulauf

Längst ist nicht mehr so viel zu tun wie in den Anfangsjahren. Doch mit ihrem Café, das Neubauer jeden ersten Sonntag im Monat anbietet (außer am kommenden Erntedanksonntag), hat sie seit Februar 2011 ein Projekt ins Leben gerufen, das in Sirnau unglaublich gut ankommt. Bis zu 50 Gäste lassen sich im Gottesdienstraum und dem angrenzenden Gemeindesaal sowie bei schönem Wetter zusätzlich unterm Lindenund Ahornbaum vor dem Kirchle Käsesahne-, Schwarzwälder- und Rumflockentorte oder Almkäsekuchen schmecken. Frieda Klein, die mit ihrem Mann Peter an einem sonnigen Tag vorbeischaut, und Eva-Maria Neubauer nutzen das Beisammensein quasi auch als Verwandtenbesuch, sind sie doch Schwägerinnen der Café-Initiatorin. Mit Henriette Graf, die aus Plochingen gekommen ist und wegen der Kuchen „extra nichts zu Mittag gegessen hat“, warten sie auf weitere Bekannte. „Es hat sich so etwas wie ein Stammtisch entwickelt“, erklärt Frida Klein. Ihr Mann lobt Dagmar Neubauer: „Es gehört viel Liebe dazu, so etwas auf die Beine zu stellen.“
Ein Besuch im Seniorenzentrum Baltmannsweiler bei ihrer Mutter habe den Anstoß gegeben, so die Initiatorin: „Dort bieten Ehrenamtliche ein Café an. Das hat mir so gut gefallen, dass ich dachte, das wäre auch etwas für uns. Auch in Sirnau gibt es viele ältere Menschen, für die der Sonntag eher trostlos ist, weil sie nirgends hinkönnen.“ Die rührige Mesnerin freut sich, dass mittlerweile jedoch Alt und Jung vorbeischauen. Bei Margret Rempiss und dem Kirchengemeinderat sei sie seinerzeit mit ihrem Vorhaben auf offene Ohren gestoßen. Zunächst von Susanne Söller-Hill regelmäßig unterstützt, findet sie heute immer ein zupackendes Helferinnenteam in unterschiedlicher Besetzung: „Es macht richtig Spaß.“
Dass es heute dagegen weder die Jungschararbeit gibt, die seit dem Weggang der Aidlinger Schwestern 2008 eingestellt wurde, noch eine Kinderkirche, bedauert nicht nur Neubauer. Beständigkeit zeichnet dagegen den ökumenisch ausgerichteten monatlichen Gemeindemittag aus, den jahrzehntelang Elisabeth Bräuninger mit viel Herzblut geleitet hat und den Karin Meier fortführt. Dass es mit dem Treffpunkt Sirnau einen Frauenkreis gibt, der sich regelmäßig zu Gesprächen über Gott und die Welt, Theaterbesuchen, kreativem Gestalten oder zum gemeinsamen Kochen und Essen trifft, hat den neuen Pfarrer positiv überrascht: „Das scheint ja eine ganz muntere Schar aus 40- bis 50-Jährigen zu sein. In dieser Altersgruppe wird es so etwas in anderen Gemeinden nicht oft geben“, sagt Walzer erfreut.
Lebendig und fröhlich geht es jeden Sonntag in der katholischen St. Michaelskapelle zu: Dort feiern allerdings nicht die rund 190 Sirnauer Katholiken ihren Gottesdienst, sondern die Mitglieder der Christian Life Church of God: „Wir überlassen Saal und Kirche dieser freikirchlichen afrikanischen Gemeinde, die überwiegend aus Nigerianern besteht“, sagt Pastoralreferent Uwe Schindera von der Oberesslinger Kirchengemeinde St. Albertus Magnus, zu der Sirnau gehört. Die afrikanische Gemeinde hatte wegen zunehmender Terminüberschneidungen im bisherigen Domizil, der Südkirche in der Pliensauvorstadt, nach einem neuen Ort gesucht. Ein Aspekt, der in Sirnau zu vernachlässigen ist: Wegen der ausgedünnten Personaldecke wird es von katholischer Seite nur ein halbes Dutzend Gottesdienste jährlich geben, an hohen Feiertagen und an der bekannten Öschprozession, dem traditionellen Bittgang durch die Felder und Wiesen: „Aber unsere Gläubigen sind immer willkommen bei allen Veranstaltungen und Gottesdiensten in St. Albertus“, betont Schindera.

Jugend organisiert Treff

Großes Lob hat er für den Jugendtreff parat, dessen Mitglieder sich regelmäßig im Gemeindesaal der Michaelskapelle treffe: „Wer mehr kirchliche Aktivitäten möchte, kann sich gern ein Beispiel an der Jugend nehmen, die das selbst organisiert. Denn unter den gegebenen Rahmenbedingungen können die Hauptamtlichen manch’ Wünschenswertes nicht leisten.“ Federführend beim Jugendtreff ist Benedikt Bachert, der harte Kern besteht aus rund zehn jungen Leuten: „Wir treffen uns eher spontan, wenn wir Zeit und Lust dazu haben. Alle von uns arbeiten, studieren oder gehen noch zur Schule. Wir sitzen gemütlich zusammen, grillen und machen ab und zu auch eine kleine Party“, sagt Bachert. Mit der afrikanischen Gemeinde, die sich im Gemeindezentrum auch zur Bibelarbeit trifft, hat man sich arrangiert. Dass die katholische Kirche vor Ort bleiben wolle, so Schindera, zeige sich auch daran, „dass wir die Außenanlagen von St. Michael pflegen lassen. Unser kleines kirchliches Zentrum und der Garten sollen nicht verkommen.“

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