Der mit den Bienen tanzt.

Von Simone Weiß
Quelle: Artikel vom 27.08.2019 © Eßlinger Zeitung

Der Mann hat die Ruhe weg. Und das ist gut so. Denn eine der drei Grundregeln im Umgang mit Bienen lautet: „Ruhe bewahren und keine Hektik aufkommen lassen!“

Manfred Gschwendtner weiß, wovon er spricht. Denn der Maschinenschlosser aus Sirnau ist seit über 20 Jahren Hobbyimker mit Leib und Seele, kümmert sich aktuell um 27 Völker und betreibt seit 2003 einen Lehrbienenstand im Esslinger Tierpark Nymphaea. Und nach 500 Stichen, erklärt der 1970 Geborene, spürt man so gut wie nichts mehr von einem Bienenstich. Dennoch rät er, auch die anderen beiden Grundregeln im Umgang mit den Insekten zu beachten – helle Kleidung und kein Parfüm. Wer doch gestochen wird, sollte den Stachel langsam mit dem Fingernagel aus der Haut herausschieben. Nicht drücken, sonst wird der gesamte Inhalt des Giftbeutels am Stachel in den Menschenkörper entleert.

Trotz dieser Risiken – das Vertrauen von Gschwendtner in seine Bienen ist grenzenlos. Auf die astronautenähnliche Montur vieler Imkerkollegen als Schutzkleidung verzichtet er bewusst, er nimmt Unmengen der Insekten in die Hand, und am Lehrbienenstand im Nymphaea ist ein Foto von ihm zu sehen, das ihn vom Hals bis zum Gürtel abwärts bedeckt mit Bienen zeigt. Wenn die Tiere nicht gequetscht oder auf eine andere Weise bedroht werden, erläutert der zweifache Vater, dann stechen sie auch nicht. Er muss es wissen: „Der mit den Bienen tanzt“ lautet sein Spitzname in Anlehnung an den Kevin-Costner-Film „Der mit dem Wolf tanzt“. Früher hielt sich  Gschwendtner ganz gewöhnliche Haustiere – Hasen, Hühner, einen Hund. Als ein Berufsimker einen Lehrgang abhielt, schaute er in dessen Bienenstock  und war fasziniert: Die Ordnung, das reibungslose Funktionieren, die Art, wie jede Biene ihre Aufgabe kannte, der ganze Mikrokosmos der Natur zogen ihn in seinen Bann. Und da er und seine spätere Ehefrau ausgemacht hatten, dass sich beide etwas zum eigenen Vergnügen zur Hochzeit anschaffen durften, legte er sich sein erstes Bienenvolk zu.

Zur Hochzeit schaffte sich der Maschinenschlosser sein erstes Bienenvolk an – zum eigenen Vergnügen.

Das war der Anfang – und es ging weiter. An seinem Bienenstand in Nymphaea hat Gschwendtner einen Schaukasten mit einem Querschnitt durch einen Stock eingerichtet. Hier wuselt und wimmelt es: „Die größte Biene ist die Königin. Es gibt nur eine in jedem Stock.“ Und das weiß die Diva: Zwölf Arbeiterinnen bedienen sie 24 Stunden am Tag, sind als ihr Hofstaat nur für das Füttern der Grande Dame zuständig, und arbeiten muss die Königin natürlich nicht. Sie sorgt für den Erhalt des Stocks, ist die einzige, die Eier legen kann. Bis zu 2000 Stück pro Tag. Ihre Untertaninnen leben nicht so bequem: Gleich nach erfolgtem Schlüpfen müssen sie ihre Brutzelle reinigen, damit eine Nachfolgerin einziehen kann. In den ersten vier Wochen ihres Lebens müssen diese Arbeiterinnen den Stock sauber halten, um dann nach dem Putzdienst auszuschwärmen und Blütenstaub und Nektar zu sammeln, wobei sie einen Radius von 3,5 Kilometern bedienen. Nach weiteren zwei Wochen hartem Flugdienst sterben die Fleißigen, nur die Königin erreicht ein Alter von vier bis fünf Jahren. Sie muss einen emsigen Staat regieren: Zwischen 20 000 und 60 000 Bienen leben in einem Stock, ihr Ergebnis nach einem Jahr harter Arbeit sind fünf bis 25 Kilogramm Honig pro Saison.

Langer Arbeitseifer in einem kurzen Leben. Dennoch betont Gschwendtner, wie clever die Bienen sind. Im Winter herrschen etwa 20 Grad, im Sommer bis zu 38 Grad im Stock. Wird es zu heiß, fächeln die Tiere mit ihren Flügeln kühlenden Wind in den Stock hinein. Und erst bei über 13 Grad fliegen sie aus. Wasser mögen sie gar nicht – bei Regen bleiben sie zu Hause.

Doch wenn sie nichts zu tun haben, so der Bienenexperte, dann werden sie nervig und unzufrieden.

Männer haben auch in Zeiten mentaler Ausgeglichenheit im überwiegend weiblichen Bienenvolk nichts zu melden. Die paar hundert Drohnen im Stock dienen nur dazu, eine junge Königin zu begatten. Wenn sie nicht mehr gebraucht werden, fliegen sie raus und kommen in der freien Natur um. Jede Menge interessante Details kannGschwendtner berichten – und er hat natürlich jede Menge Geschichten auf Lager. Einmal hat er seine Bienenvölker mit dem Anhänger transportiert. Als er tanken musste, stellte er an der Tankstelle fest, dass sich der Deckel des Bienenstocks geöffnet hatte: „Plötzlich war ich mutterseelenallein an der Tankstelle.“

Zur Person

Manfred Gschwendtner unterhält einen Bienenstand im Esslinger Tierpark Nymphaea. An Infotafeln, einem Schaukasten und mehreren Stöcken können Besucher sehr viel über das Leben der Tiere erfahren. Der Bienenexperte ist nicht immer, sondern zu unregelmäßigen Zeiten anwesend. Dann jedoch beantwortet er gerne und ausführlich alle Fragen rund um die Imkerei. Alljährlich, meist am ersten Sonntag im Juni, lädt er zum Zuschauen und Mitmachen beim Honigschleudern ein. Mehr Infos zum Tierpark stehen unter https://www.tierpark-nymphaea.de/

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